Alle reden vom Klimawandel und der Erderwärmung. Jetzt, Ende November 2017, haben wir bereits einen halben Meter Schnee auf dem Feldberg im Mittelgebirge Schwarzwald. Wie passt das zusammen?
Die Fakten stehen fest: die Jahresduchschnitts-Temperatur auf der Erde steigt, und das immer schneller. Allerdings gilt das im Mittel über mehrere Jahre betrachtet, denn fast regelmäßig wechseln sich eher warme und eher kühle Jahre ab. Der Trend geht klar nach oben.
Wie aber ist der außergewöhnlich frühe Wintereinbrauch 2017 einzuordnen ? Zunächst ein Bick auf die aktuelle Wettersituation:
Die Schnee-Konstellation
Schnee ist bei uns immer zuerst an einen Vorstoß kalter Luftmassen aus dem Norden gebunden. Idealerweise treffen diese über der Nordsee auf feuchte Atlantikluft. Zwischen beiden bilden sich dann Kaltfronten oder Okklusionen, die mit ihren Niederschlägen zumindest die höheren Lagen in eine weiße Decke hüllen. Den Feuchtigkeitsgehalt der maritimen Komponente regelt dabei hauptsächlich die Wärme des Golfstroms, die Temperatur der nordischen Kaltluft bestimmt vorwiegend die Lage des Jet-Streams.
Zur Erinnerung: Der Jet-Stream markiert die Grenze zwischen kalter Polarluft im Norden und wärmerer subtropischer Luft im Süden, die sog. Polarfront. Entlang dieser mehr oder weniger ausgeprägten Linie bilden sich Warm- und Kaltfronten sowie Okklusionen. Der Jet-Stream bzw. die Polarfront befinden sich in einer ständigen Wellenbewegung, wobei die Lage von Hoch- und Tiefdruckgebieten am Boden die Täler (Tief) und Berge (Hoch) der Welle bestimmen. Je größer nun dei Amplitude der Welle, desto weiter gelangt warme Luft nach Norden und kalte nach Süden.
Die typische Schnee-Konstellation für unsere Region sieht dementsprechnend so aus:
Ein Hoch über dem Atlantik verfrachtet feuchte, aber kühle Luft zu uns, ein Tief über Skandinavien bzw. der Ostsee zapft die Polare Kaltluft an und sorgt für Labilisierung. Damit steigt die Feuchte Luft nach oben, kühlt sich noch weiter ab und dann ist Frau Holle an der Reihe. Gebirge wie z.B. der Schwarzwald oder die Alpen sorgen zusätzlich für Anhebung und Staubewölkung mit verstärktem Niederschlag.
Höhenwetterkarte (500hpa rel. Topographie) von meteoblue.com 30.11.2017. Gut zu sehen ist die Polarfront (grau bzw. hellgrün).
Sie entspricht in etwa der Lage des Jet-Streams (250hpa Wind von meteoblue.com 30.11.2017):
Varianten
Im kalendarischen Winter, also in den Monaten Januar bis März, reicht - zumindest in der Theorie - der Polarfront ohnehin schon weit nach Süden, da sich die Nordhalbkugel insgesamt abkühlt. Dementsprechend genügt eine mäßige Amplitude der Jet-Welle, um uns mit Kaltluft zu versorgen.
Anders im Herbst und im Frühling: der Jet-Stream wellt nördlich unserer Breiten und entsprechend groß müssen die Amplituden sein, damit es bei uns Neuschnee gibt.
Wetterlage im November 2017
So eine Wetterlage wiederholt sich nun schon seit mehreren Wochen im leicht unterschiedlichen Spielformen:

Zum Vergleich: der Herbst 2016
Komplett anders sah die Situation vor einem Jahr aus, im Herbst 2016. Einige schöne Thermik-Flüge im Schwarzwald bei milden Temperaturen bis weit in den Dezember sind mir in guter Erinnerung!
Beiden Zeiträumen gemeinsam ist allerdings, dass der Polarjet sich ganz und gar nicht an die Wettertheorie hält und mitnichten einfach in braven Wellen um die Nordhalbkugel düst. Vielmehr sogt jeweils eine Reihe von kleinen und größeren Tiefs zwischen Mittelmeer und Polarregion für einen völlig chaotischen Verlauf der Höhenwinde. Haupt-Ursache dafür sind jeweils starke Temperaturunterschiede des Meerwassers auf relativ kleinem Raum, so heizt der Golfstrom z.B. in der Region von Spitzbergen das Wasser punktuell bis über 10 Grad Celsius auf, während nur wenig davon entfernt das Polareis für Gerfrierpunkt-Temperaturen im Meerwasser sorgt.
Als Pendant zu den Regionen mit tiefem Luftdruck bilden sich über eher gleichmäßig warmen oder kühlen Flächen dann die Hochdruckgebiete, wobei sie sich in punkto Verortung ebenfalls wenig an die Jahrzehte- oder Jahrhunderte alten Gewohnheiten halten.
Und wie geht es weiter?
Das Zusammenspiel von Hochs, Tiefs, Höhenwind (Jet-Stream und die resultierende Polarfront), Meerwassertemperatur usw. ist hoch komplex. In bestimmten Situationen kann es sich selbst stabilisieren, was bedeutet, dass eine ähnliche Wetterlage lange anhält oder sich nahezu periodisch wiederholt. So etwas hatten wir z.B. im ewigen Sommer 2003 aber auch in diesem Sommerhalbjahr, als sich die Flachdrucklagen ständig wiederholten.
Auf den ersten Blick scheint die Novembersituation 2017 ebenfalls recht stabil: immer wieder erreicht uns eine Kaltlufttrog (Wellental) aus Norden. Bei genauerem Hinsehen fällt aber - wie im Herbst 2016 - das Höhenwindchaos auf, in dem wenig System zu erkennen ist. Vielleicht steckt ja doch eines dahinter, was die Wettermodelle und der normale meteorologische Sachverstand aber nicht durchschauen.
Konkret heißt das: die großen Jet-Wellen dürften erst mal anhalten. Die Wintersportler können hoffen, dass die steuernden Tiefs und Hochs sich immer wieder an den gleichen Stellen bilden. Wenn sich die Amplituden irgendwann etwas beruhigen sollten, gibt es mit West-Sturm und Regen das früher (angeblich) typische Novemberwetter. Wenn die Amplituden groß bleiben, sich die Welle aber verschiebt, kann es im flachen Hoch und bei milder SW-Strömung schöne Flugtage geben.
Die gibt es allerdings auch gerne in der labilen Polarluft, man muss sich dann nur warm genug anziehen und von eher tief gelegenen Startplätzen losfliegen (weil die Wolkununtergrenze die Schwarzwaldgipfel einhüllt).
Die Folgen der Erderwärmung zeigen sich also nicht unbedingt durch Frühlingstemperaturen im Herbst. In jedem Fall aber durch größere Schwankungen im Wettersystem. So können wir in den kommenden Jahren genauso gut mit frühen und schneereichen Wintern wie mit milden, langen Herbsten rechnen. Oder eben auch nicht rechnen.