Das Angebot ist riesig, es gibt etliche Hersteller von Gleitschirmen, dazu noch verschiedene Zertifizierungs-Kategorien, diverse Größen und eine Fülle an Konstruktionsdetails. Wie aber finde ich mich in diesem Dschungel zurecht und was ist bei der Auswahl wirklich entscheidend?

In erster Linie ist es wichtig, dass ich mich mit meinem Fluggerät rundherum wohl fühle und meinem Flügel in jeder Situation absolut vertrauen kann. Nur so kann ich beim Fliegen maximale Freude genießen und mich ständig weiter entwickeln. Das klingt zunächst ganz einfach. Ist aber auch ganz individuell und subjektiv. Werfen wir zuerst einen Blick auf die objektiven und im Zweiten subjektiven Faktoren, um den idealen Paragleiter für dich herauszufinden. Es loht sich, bei der Wahl sorgfältig zu sein. Schliesslich willst du mit deinem Gleitschirm deine Freizeit geniessen, vielleicht deine grosse Leidenschaft ausleben, und du wirst ihm deine Gesundheit und sogar dein Leben anvertrauen.

Die Flugbedingungen

Eine erste Entscheidungshilfe gibt die genauere Betrachtung von »in jeder Situation«. Werde dir darüber klar, in welchen Fluggeländen bei welchen Verhältnissen und Bedingungen du fliegen willst. Wenn du dich auf Abgleiter in ruhiger Luft spezialisierst dann ist das sicher eine andere Sache als Thermikfliegen, auf Strecke zu gehen, Hike & Fly Touren zu erleben oder dich mit Kunstflugmanövern zu vergnügen.

Im ersten Fall (Abgleiter) kommt jeder Flügel in Frage, den du gut starten und landen kannst und mit dessen Handling (Steuer- und Kurvenverhalten) du zurecht kommst, vom einfachen Single-Skin bis zum Wettkampfflügel.

Für Thermik- oder Streckenflüge wirst du besser einen Paragleiter wählen, der dich im normalen Flug nur deutlich unterhalb deiner Grenzen herausfordert. Denn Erfahrungsgemäss gibt es immer wieder Situationen, die doch etwas anspruchsvoller sind als erwartet. Wenn du jetzt noch Reserven hast, bist du klar im Vorteil. Du kannst nach und nach das Fester deiner für dich ganz persönlich passenden Flugbedingungen erweitern. Denn du sammelst deine Erfahrungen im grünen Bereich und kannst sie mit Freude genießen.

Für Hike & Fly Touren wiederum sollte der Flügel sehr leicht sein, absolut einfach Starten, bei unterschiedlichsten Bedingungen und auch in anspruchsvollen Geländen, er sollte einfach zu fliegen sein und für unerwartete Situationen ein hohes Sicherheitspotential bieten.

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Material und Konstruktion

Auch Material, Konstruktion und Qualität sind für die Wahl des Schirmes wichtige Entscheidungskriterien.

Die letzten 3% Luftwiderstand im voll Beschleunigten Flug entscheiden manchmal ein Weltcupfinale. Im normalen Flugalltag bei thermischen Bedingungen ist aber eine Grundausstattung solider Leinen durchaus von Vorteil. So sind z.B. schon minimal mehr Galerieleinen einzeln weniger belastet und bedingen ein deutlich gutmütigeres Klappverhalten, als allzu sparsame Zahnseide.

Stammleinen in unterschiedlichen Farben lassen sich besser sortieren als einfarbige, ummantelte Leinen sind darüber hinaus unabhängig von der Reissfestigkeit robuster gegen Verschleiss.

Eine ganze Reihe von Konstruktionsdetails bestimmen je nach Hersteller den Aufbau und die aerodynamischen Feinheiten des Flügels. Dabei gibt es aktuell kaum herausragende Alleinstellungsmerkmale bestimmter Marken, die anderen gegenüber entscheidende Vorteile bieten.

Fürs Bergsteigen ist ein Leichtschirm mit dünnem Tuch eine gute Wahl, wenn du als Vielflieger aber in der Regel von einem steinigen Startplatz neben der Seilbahn in die Luft gehst, dann kommt es weniger auf das Gewicht als auf die Reißfestigekit des Tuchs an.

Sehr gut bewährt sich inzwischen die semi-leicht Bauweise: die Tücher sind robust genug für den Alltagsgebrauch, d.h. sie halten in der Regel auch einer Baumlandung stand, das geringe Gewicht wirkt sich positiv auf Start- und Flugeigenschaften aus und das moderate Packmaß verkleinert den Rucksack.

Nachhaltigkeit und soziale Fairness

Obwohl wir die Faszination unseres Sports den Geschenken der Natur verdanken, sind Klimaschutz, Nachhaltigkeit und soziale Fairness leider noch Stiefkinder der Gleitschirmbranche. Die Flügel bestehen aus nicht recycelbaren Kunststoffen, die Fabriken der meisten Hersteller sind in Asien und bedingen somit lange Transportwege, die Arbeitsbedingungen sind wenig Transparent. Und leider ist die Gleitschirmszene bisher wenig bereit, den angemessenen Preis für fair und nachhaltig produzierte Produkte zu bezahlen.

Green-Paraglinging gibt es also noch nicht, aber immerhin sind einige Hersteller wie NEO und SupAir auf einem guten Weg, ihre Produkte so nachhaltig und sozial fair wie möglich zu produzieren. Du hast die Wahl.

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Leistung und Wirkungsgrad

»Leistung« ist er am liebsten verwendete Begriff im Paragleiter-Marketing, bei Flieger-Stammtischen und in Forums-Diskussionen. Alles dreht sich um Leistung, dabei wird der Begriff aber meist völlig unreflektiert verwendet. Denn ein Flügel »hat« keine Leistung, nur du selbst kannst zusammen mit dem Paragleiter, dem Gurtzeug, dem restlichen Equipment und mit den Kräften der Natur Leistung erbringen. Oder anders formuliert:  

Ohne dich leistet ein Schirm gar nichts. Er bewegt sich weder aus dem Packsack auf den Startplatz noch in der Thermik nach oben. Das kann er nur mit dir und durch dich und dein Flugvermögen. Wenn das gut zusammen passt, kannst du dein eigenes Potential maximal entfalten.

Wie gut nun ein Flügel mit dir und deinen Fähigkeiten harmoniert, bestimmt den Wirkungsgrad des Systems. Dabei gibt es einen theoretischen Wirkungsgrad und einen praktischen. Höher Klassifizierte Flügel haben in der Regel einen guten theoritischen (d.h. sie setzen Höhe gut in Strecke um und Luftmassensteigen in Gerätesteigen), niedriger klassifizierte Schirme haben einen hohen praktischen Wirkungsgrad, weil du als Pilot in jeder Sitzuation die Kontrolle behältst und auch nach langer Flugzeit noch fit bist, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Fakt ist, dass ein größerer theoretischer Geräte-Wirkungsgrad meist auch mehr Anspruch an den Piloten und weniger passive Sicherheit bedeutet. Oder positiv formuliert: die theoretisch maximal mögliche Preformance eines Flügels muss zu deinem Flugstil und deinen Fähigkeiten passen und oft erreichst du prakitsch eine höhere Performance mit einem Flügel, der theoritisch die geringere hat.

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Geräteklassifizierung und passive Sicherheit

Eine grobe Orientierung über den Anspruch, den ein Paragleiter an dich beim Fliegen stellt, bietet dir die Klassifizierung der Geräte nach EN bzw. LTF. Die Klassen bilden in etwa die passive Sicherheit ab, d.h. wie ein Flügel auf Störungen ohne Piloteneingriff reagiert und wie einfach oder anspruchsvoll Standardmanöver wie Ohrenanlegen oder Spirale zu fliegen sind.

Dabei gilt vereifacht:

EN / LTF A: maximale passive Sicherheit, geeignet auch für Einsteiger, minimale bis geringe Anforderungen an Pilotenkönnen, je nach Bedingungen.

EN / LTF B: diese Klasse ist sehr breit gefächert und man unterschiedet inzwischen in low-B, mid-B und high-B. Sehr gute bis gute passive Sicherheit, geringe bis hohe Anforderungen an Pilotenkönnen. Empfehlung für die minimale Flugerfahrung bzw. den Traingszustand:

  • low-B: min. 50 Höhenflüge in unterschiedlichen Bedingungen, Erfahrung mit Thermikflügen, min. 30 Flüge / 10 Std. pro Jahr.
  • mid-B: min. 80 Höhenflüge und 50 Std. in unterschiedlichen Bedingungen, Manövertraining, solide Erfahrung mit Thermikflügen, min. 50 Flüge / 15 Std. pro Jahr.
  • high-B: min. 150 Höhenflüge und 100 Std. in unterschiedlichen Bedingungen, solides Manövertraining, sehr gute Erfahrung mit Thermikflügen, min. 80 Flüge / 40 Std. pro Jahr.

EN / LTF C: gute passive Sicherheit bei entsprechendem Pilotenkönnen, hohe Anforderungen im Flug und oft auch bei Start und Landung. Empfehlung für Flugerfahrung bzw. Traingszustand:

  • min 200 Höhenflüge und 200 Std. in unterschiedlichen Bedingungen, sehr gute Erfahrung mit Thermikfliegen und diffizilen Flugsituationen, sehr gutes Beherrschen der Flugmanöver, min. 100 Flüge / 60 Std. pro Jahr.

EN / LTF D und CCC: High-Performance Flügel für Spitzenpiloten mit weit überdurchschnittlicher Flugerfahrung sehr gutem Trainingszustand.

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Aktive Sicherheit

Neben der passiven Sicherheit (was tur der Flügel, wenn ich nichts tue) ist es in vielen Situationen auch entscheidend, wie ich aktiv reagiere und welche Möglichkeiten mir der Paragleiter dafür bietet. Einige Beispiele dazu:

  • Eine mögliche hohe Geschwindigkeit stellt zwar theoretisch ein erhötes Risiko durch dynamische Reaktionen bei Störungen dar, gleichzeitig ermöglichst sie aber auch ein gutes Vorankommen gegen den Wind, was in vielen Situationen wiederum zusätzliche Sicherheit bedeutet.
  • Ein agiler Flügel ermöglicht schnell zu reagieren, z.B. für Ausweichmanöver. Wenn der Flügel das tut, was ich möchte und am besten sofort, ist das ein erhebliches Sicherheitsplus (vorausgesetzt, ich kann damit umgehen).
  • Ein agiler Flügel ermöglicht Thermik effektiv zu zentrieren, Turbulenzen rechtzeitig zu erspüren und Turbulenzbereiche effektiv zu meiden.
  • Ein gutes Gleitverhalten bedeutet Sicherheit bei geringem Geländeabstand und weniger Stress bei der Thermiksuche.

Größe und Flächenbelastung

Jeder Flügel hat eine bestimmte Größe und damit Flügelfläche, abgestimmt auf das Gewicht, was darunter hängt. Für die Zulassung wird jeder Flügel am unteren bzw. oberen Ende eines vom Hersteller festgelegten Gewichtsbereichs getestet und bei positivem Testergebnis für diesen Gewichtsbereich zugelassen.

ACHTUNG: der zugelassene Gewichtsbereich hat nur sehr bedingt damit zu tun, wie gut, wie komfortabel und wie sicher (aktive + passive Sicherheit) du damit fliegen kannst. In den allermeisten Fällen empfiehlt es sich, den Flügel in der oberen Hällfte (mittlere und große Flügel) bzw. nahe an der Obergrenze des Gewichtsbereichs zu fliegen (insbesondere bei den  kleinen Größen). Die Flugeigenschaften und die Sicherheit in der Praxis resultieren entscheidend auch aus der Flächenbelastung (angehängtes Gewicht / projizierte Flügelfläche).

Siehe dazu auch unseren Beitrag: die Sache mit der Flächenbelastung >

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Gewohnheiten und Vorlieben

Neben diesen vielleicht eher objektiven Gesichtspunkten spielen die subjektiven für die Entscheidung eine sehr wichtige Rolle. Es gibt Schirmeigenschaften, die sich in Fakten nicht messen lassen, wie z.B. das Steigen in der Thermik, das Steuerverhalten, das sog. Handling (auch in anspruchsvollen Bedingungen) oder die Art und die Intensität des Flügelfeebacks. Magst du viel Steuerdruck oder wenig? Welche Art der Progression? Gleichmäßig oder erst viel und dann wenig oder umgekehrt? Magst du es, wenn der Flügel arbeitet oder soll er lieber fest und ruhig sein? Fliegst du gerne flache oder enge Kurven? Wie kurbelst du in der Thermik? Fliegst du im Flachland, im Hochgebirge oder an der Küste?

Das sind nur wenige von vielen Fragen zum ganz individuellen Zusammenspiel von dir und deinem Paragleiter. Und das probierst du am besten selbst aus. Ein Handling, was deinem Kollegen oder einem Testpiloten zusagt, muss deinem eigenen Flugstil noch längst nicht entsprechen.

Der beste Flügel für dich

Wenn du jetzt immer noch nicht weisst, welchen Flügel du kaufen sollst, dann ist das gut so. Denn genauso wie den Schuh probierst du deinen künftigen Gleitschirm einfach an- und aus. Glücklicher Weise kannst du einen Paragleiter besser testen als Schuhe, und dir ruhig mal ein paar Stunden und ein paar tausend Höhenmeter gemeinsamen Weg gönnen.

Eigentlich müsste jetzt am Ende dieses Artikels auf unserer Website stehen, dass wir den besten und genau den passenden Flügel für dich haben. Aber ob das so ist, wissen wir nicht. Denn ein guter Paragleiter wird dann zum besten für dich, wenn er eben zu dir passt und du die richtige Entscheidung damit getroffen hast. Wir können dir nur sagen, welche Prioritäten wir für die Produkte setzen, die wir selbst verkaufen. Und wir nehmen uns gerne Zeit, dich bei der Suche nach dem passenden Flügel für dich zu beraten.

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Wir bauen auf Qualität, Performance, Service und Nachhaltigkeit. Wir stehen deshalb zu 100% hinter allen Produkten, die wir verkaufen.