Zugegeben, eine ordentliche Portion Skepsis kann ich nicht verbergen: ein reinrassiger Zweileiner in der Kategorie C? Die Tiroler Gleitschirmschmiede wagt als erste diesen Versuch und ich bin sehr gespannt, wie er sich fliegt, der Volt 4!
Endlich ist das Paket mit dem Demoflügel da. Also auspacken und ausprobieren was der Flügel kann und ob ich mich mit diesem Gerät wohl fühlen werde.
Groundhandling
Trotz zu viel Flugwind kann ich es natürlich nicht erwarten, den Flügel zu lüften. Also auf die Wiese! Der Wind zeigt sich eher böig als schwach, aber gerade richtig, um einen ersten Eindruck zu bekommen.
Der ist schon beim allerersten Aufziehen mit meiner Lieblingsstartart Cobra positiv, der Volt 4 lässt sich einfach und kontrolliert über mich bewegen. Weiteres Aufziehen mit und ohne Zuhilfenahme der A-Tragegurte funktioniert ebenfalls tadellos, kein Hängen, kein Schießen, keine Banane. Der Volt 4 mag (wie übrigens viele Flügel mit Haifischnasen) am liebsten gestreckte Arme beim rückwärts Aufziehen und dann den Zug alleine über die Karabiner, also ohne die A-Gurte zu sich her zu ziehen. Auch vorwärts Aufziehen funktioniert wunderbar einfach.
Natürlich verlangt die Streckung von 6,5 etwas mehr Feingefühl als bei einem Schulschirm (was für C-Flügel Pilot*innen selbstverständlich sein sollte), wobei sich der Volt 4 für mich einfacher zu Starten anfühlt, als so mancher Vertreter der A-Kategorie.
Das Spielen auf der Wiese macht sofort richtig Spaß und vermittelt einen guten ersten Eindruck zum Steuerverhalten, das mir gleich sehr positiv direkt erscheint. Schon auf der Wiese lässt sich der Volt 4 mit wenig Input dirigieren, er reagiert schnell und exakt.
Auffallend: sobald der Wind etwas stärker bläst, entwickelt der Flügel trotz der relativ kleinen Fläche enormen Auftrieb.
Jetzt bin ich sehr gespannt auf den ersten Flug!
Start
Hatte ich vergessen zu erwähnen, dass der Volt 4 in der Größe S nur etwa 3,8 kg auf die Waage bringt? Das ist zum einen den leichten Materialien zu verdanken (Porcher Skytex 27 Tuch, Edelrid 8000er Leinen und Nitinol-Versteifungen), zum anderen aber auch dem Verzicht auf allzu viele Zellen und damit auf Material. In diesem Punkt geht Airdesign schon immer einen eigenen Weg und erreicht entgegen dem Trend zu immer mehr Zellen die Performance der Flügel durch exzellente Profile und andere konstruktive Geheimnisse.
Die Tragegurte gibts in zwei Varianten: superleicht aus Dyneema und ein paar Gramm schwerer in der Aramid-Variante. Wer seinen Flügel immer mit dem Gurtzeug verbunden lässt, ist sicher mit den leichten Dyneema-Gurten gut bedient, übersichtlicher und einfacher zum Einhängen ist die Aramid-Ausführung.
Ich sitze im Bus und bemerke mit jedem Höhenmeter in Richtung Startplatz, wie das Kribbeln im Bauch zunimmt und der Puls schneller wird. Beim Groundhandeln hat sich zwar schon Vertrauen aufgebaut, aber ich bin sehr gespannt, wie sich der Volt 4 jetzt fliegen wird. Immerhin ist es für mich Zweileiner-Premiere!
Am Startplatz beobachte ich noch eine Weile den immer wieder richtungswechselnden Windsack, warte auf eine gute Phase und versuche die Cobra mal mit wenig Wind. Da steigt sie schon, langsam und nahezu genüsslich spannt sich der Volt 4 über mich und mit wenigen Schritten bin ich in der Luft.
Fliegen
Mit Flächenbelastung erweist sich der Volt 4 gleich noch direkter und präziser als am Boden und schon nach den ersten Thermik-Suchkreisen beginnt sich meine Zweileiner-Skepsis in die Ahnung zu verwandeln, dass wir möglicher Weise schon sehr bald ein gutes Team werden.
Die Thermik will sich heute erst mal finden lassen und das nicht unbedingt dort, wo ich es von diesem Gelände kenne. Also ist Suchen angesagt - was in der Regel schon nach kurzer Zeit aufmerksame Gleitwinkelpeilung in Richtung Landeplatz fordert, wenn es nicht gleich hoch geht und ich auf der schönen grünen Wiese mit Windsack noch ankommen möchte. Dass es nicht glich hoch geht scheint dem Volt 4 gerade mal egal zu sein, denn der Flügel nimmt jede noch so kleine Blase mit, verliert beim Kreisen kaum Höhe und so kann ich entspannt suchen und weiter suchen.
Dabei pflügt der Flügel durch die geländenah eher bewegte Luft sauber durch, vermittelt mir vollstes Vertrauen und findet schließlich fast von selbst abseits der üblichen Thermikquellen einen schwachen, aber zuverlässigen Aufwindschlauch. Das Kurbeln entlockt mir die ersten Jubler, denn so präzise, ruhig und effektiv konnte ich mit noch keinem anderen Flügel drehen. Bald wird das Steigen stärker und lädt zu mehr Schräglage ein. Auch das funktioniert wunderbar, für den Volt 4 scheint Kurvensinken ein Fremdwort zu sein.
Der Flügel zeigt sich enorm stabil, gibt sehr präzise Rückmeldung und lässt sich sowohl mit Gewicht als auch mit Bremse exakt zirkeln. Zusammen mit dem Brake-Shifting (unterschiedliche Anlenkung der Bremse je nach Zugrichtung mehr nach innen oder mehr nach außen) lässt sich die Kurventechnik beim Volt 4 perfekt an die unterschiedlichsten Thermik-Verhältnisse anpassen.
Am oberen Ende des Aufwinds angekommen bin ich jetzt sehr gespannt auf das Zweileiner-Feeling im Geradeausflug! Also mal vorsichtig Gas geben. Der Beschleuniger läuft leicht und das Fahrtgeräusch nimmt beachtlich zu, während der Gleitwinkel sich kaum verändert. Der Flügel ist unglaublich stabil und selbst in der bewegten Luft habe ich vollstes Vertrauen zur Speedmachine, wie Airdesign den Volt 4 betitelt. Ah, und laut Vario bläst deutlicher Gegenwind, was den Flügel wenig beeindruckt, mich dafür um so mehr.
Muss ich erwähnen, dass die B-Steuerung über die optimal am Tragegurt positionierten Griffe super funktioniert und für mich ein ganz neues Fluggefühl vermittelt?
So fliegt sich also ein Zweileiner im Gas! Ich ahne, dass ein Suchtfaktor aufkommen wird und verdränge schnell den Gedanken, dass ich den Demo wohl schon bald wieder zurück schicken muss…
Abstigeshilfen
Und wie geht es wieder runter? Ich habe natürlich das Handbuch gelesen und demnach soll Ohren anlegen auch mit diesem Flügel funktionieren. Ein wenig skeptisch und auf alles vorbereitet ziehe ich also an den äußeren A-Leinen auf jeder Seite und bin verblüfft, wie einfach es funktioniert. Halbgas oder Vollgas, die Sinkwerte sind sehr gut, ich brauche kaum Kraft zum Halten, die Ohren liegen ruhig an ohne zu schlagen und öffnen sich sogar selbständig, wenn auch etwas verzögert, nach dem Loslassen der A-Leinen. Das ist aber fein! Der Vorgänger Volt 3 war in diesem Punkt wesentlich diffizieler zu handeln.
Laut Handbuch sollen auch B-Ohren funktionieren, also statt der A-Leinen die B-Leinen ziehen. Ich versuche auch dies, allerdings erscheint mir die Sache nicht ganz geheuer, weil auch nach enormem Zug an den Strippen die Flügelenden keinen Einklappwillen erkennen lassen und so bleibe ich lieber bei der Standard-Methode.
Dann wäre da noch mein Lieblingsmanöver, die Steilspirale. Höhe habe ich genug, also ein enger Kreis geflogen und dann die Innenbremse weiter gezogen. Und wieder bin ich überrascht, wie kontrolliert und gut dosierbar der Volt 4 nach unten dreht. Auch die Ausleitung erfordert kein vorangegangenes Acro-Training: Außenbremse dazu, warten, bis die Spirale langsamer wird, Bremsen langsam lösen und evtl. innen noch mal nachziehen. Wie immer - und beim Volt 4 einfacher als bei so manchem Kollege aus niedrigerer Klasse! Ok, der Flügel ist wendig und dynamisch, aber zu Recht hat er in Punkto moderate Spirale im Testprotokoll sogar ein A.
Apropos dynamisch: das Handling ist für diese Klasse wirklich geil! Mir gefällt das direkte Ansprechen, Wingover sind ein Genuss und schneiden sich bei superstabilem Flügel Rasiermesserscharf durch die Luft. Trotzdem gibt es keine Tendenz zum Übersteuern und der Volt 4 lässt sich aus nahezu jeder Fluglage wieder schnell und einfach in den Normalflug dirigieren. Hier möchte ich allerdings anmerken, dass es die Speedmachine dankt, wenn Pilot oder Pilotin über einige Erfahrung in der C-Klasse verfügen. Trotz der gutmütigen Klassifizierung bei den Manövern - heißt der Volt 4 kehrt aus vielen Situationen wieder selbständig in den Normalflug zurück - ist ein adäquater Umgang mit der Streckung von 6,5, mit den direkten Steuerwegen und der möglichen Dynamik des Flügels von großem Vorteil.
Pure Flugfreude
In den folgenden Tagen verbringe ich noch einige weitere Stunden mit dem Volt 4 in der Luft bei unterschiedlichsten Verhältnissen, mit schwacher und starker Thermik, mit sanftem Soaring und ruppigen Lee-Bärten, bei schwachem und bei starkem Wind. Dabei beeindrucken mich immer wieder das hervorragende Steigen (z.B. im Vergleich mit anderen C-Flügeln im gleichen Bart) und wie viel Zeit ich habe, um die nächste Thermik zu suchen, weil ich dabei kaum Höhe verliere.
Noch nie bin ich so lange und zuversichtlich am Hang entlang geschlichen (oder eher gedüst), habe so weite Gleitstrecken ohne Zwischentanken zurückgelegt, noch nie ging es gegen den (teilweise recht deutlichen) Gegenwind so flach und schnell vorwärts. Und das alles mit einem Flügel, der mir absolutes Vertrauen vermittelt, selbst wenn er mal deutlich klappt (was mir aber nur ein mal und auch angekündigt passiert ist).
Ich gewinne mehr und mehr den Eindruck, dass der Volt 4 als Zweileiner mindestens genauso sicher zu fliegen ist, wie andere C-Flügel und bin überzeugt, dass mir noch nie ein anderes Flugzeug so viel Spaß gemacht hat!
Das Landen gestaltet ich ebenfalls easy, Ausflairen funktioniert wunderbar, der Volt 4 stallt spät und weich bei zuvor deutlich ansteigendem Steuerdruck. Und ja, er gleitet weit!
Beim Toplanden sollte man daran denken, dass der Flügel wirklich jedes kleinste Steigen mit nimmt. Eine entsprechend gute Anflugtechnik und -Taktik erleichtern das zielgenaue Aufkommen. Nach der Landung erfreuen wiederum das kleine Packmaß und das geringe Gewicht des Volt 4, so bin ich leicht bepackt schnell an der Straße zum Trampen oder per Hike wieder auf dem Berg - oder zwischendrin im nächsten Café (ich persönlich mag Cappucino und Kuchen lieber als Bier).
Resumé
Der Volt 4 von Airdesign überrascht mich außergewöhnlich positiv. Meine anfängliche Skepsis gegenüber dem Zweileiner-Konzept hat sich schnell in reine Freude verwandelt, der Flügel eröffnet für mich selbst als erfahrenen C-Klasse-Piloten eine neue Dimension.
Der Volt 4 ist enorm stabil, er gibt mir gleichzeitig präzise und ehrliche Informationen über die umgebende Luft, Steig- und Gleitverhalten sind grandios. Das einfache Startverhalten, das sehr harmonische und exakte Handling gepaart mit der genau richtigen Dosis Dynamik, das Leichtgewicht und das kleine Packmaß machen die neue Speedmachine von Airdesign für mich zum aktuellen State-of-the-Art Flügel für kleine wie große Strecken- und Biwakabenteuer.
Wer über solide Flugerfahrung verfügt, einen ausgewogenen, harmonischen und gleichzeitig enorm leistungspotenten Streckenflügel sucht und wer mit absolutem Endorphinrausch adäquat umzugehen weiß, wird sich in den Volt 4 sofort verlieben.
Danke Airdesign, für diesen großartigen Flügel!
Und wem das alles zu subjektiv und euphorisch erscheint, soll den Volt 4 doch einfach selbst ausprobieren (und mir nach der Landung ein Selfie schicken)!
*Anmerkung: Klapper können bei Zweileinern konstruktionsbedingt nur mir Faltleinen getetet werden. Gemäß EN-Prüfnorm erhält ein Flügel dabei mindestens die Kategorie C, Lt. LTF-Prüfnorm die Kategorie D, auch wenn die Reaktionen bei Klappern evtl. deutlich gutmütiger ausfallen.