Als Gleitschirmflieger sind wir Natursportler. Wir bewegen uns draußen, wir genießen die Schönheit unterschiedlichster Landschaften, wir breiten unseren Flügel aus und lassen uns nur von der Kraft der Sonne Stunden oder gar hunderte Kilometer weit tragen. Nur von der Sonne?

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Auf den ersten Blick ja, aber auf den Zweiten sieht das schon ganz anders aus. Bleiben wir zunächst beim ersten Blick:

Als Paragleiter benötigen wir wenig Infrastruktur, unsere Start- und Landeplätze sind weitgehend naturbelassen (Lichtungen, Wiesen), beim Fliegen verursachen wir weder Lärm noch Immissionen, manchmal entstehen in unseren Waldschneisen-Startplätzen sogar Biotope für Pflanzen und Schmetterlinge, die sonst in der Region (wie z.B. dem Pfälzer Wald) kaum zu finden sind. Die Liste der Naturverbundenheit könnte man noch verlängern, aber darum geht es hier nicht.

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Denn beim zweiten Blick auf unseren Gleitschirm-Sport relativiert sich die Nachhaltigkeit nachhaltig:

Wir bewegen uns nur zu oft mit dem Auto ins Fluggelände und das auch gerne allein, wir benutzen Material aus Kunststoff, der kaum oder nur schwierig recyclebar ist, dessen Produktion verbraucht fossile Ressourcen, nennenswerte Energiemengen und verwendet allerlei Chemie (Beschichtungen!) für die Herstellung, der Transport meist aus Asien verursacht erhebliche Immissionen (viele Tücher werden sogar in Frankreich hergestellt und erst mal nach Asien zur Produktion der Gleitschirme transportiert), die Leinen kommen zwar mehrheitlich aus dem Allgäu, fliegen aber ebenfalls zunächst um die halbe Welt, um dann von dort im fertigen Flügel wieder zurück nach Europa zu reisen.

Unter welchen Bedingungen und zu welchen Löhnen das alles von den Spezialistinnen in Fernost zusammengebaut wird, lässt sich als Kunde und sogar als Flugschule nur sehr schwer nachvollziehen. Hier fragen wir uns gelegentlich auch, wie so manches Produkt, dass wir zu erstaunlich günstigen Einkaufspreisen angeboten bekommen, überhaupt sozial und ökologisch fair produziert sein kann.

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Als Flugschule kommt noch eins obendrauf: wir leben davon, viel unterwegs zu sein, um an vielen Orten außerhalb unserer Heimat zu fliegen (die Pfalz eignet sich nicht für Ausbildung und Gleitschirmreisen mit Gruppen). Was können wir aber tun, wir als einzelne Pilot:innen und wir als Flugschule, um verantwortungsbewusst unsere Freiheit des Vol libre zu leben?

Wohl zuerst, alles oben genannte bewusst wahrnehmen und dann nachhaltige Lösungen suchen. Als Flugschule haben wir schon einige gefunden und wir bleiben dran, weiterzusuchen und das Gefundene umzusetzen:

  • unser erstes Ziel ist es, Pilot:innen so weit fliegerisch zu begleiten, dass sie selbständig und sicher auch in ihren (manchmal schwierigen) Fluggeländen in der Heimat fliegen können. Das klingt zunächst wie das eigene Wasser abgraben, aber das Feedback unserer Kund:innen stimmt uns optimistisch.
  • Wir bieten Reiseziele in der (relativen) Nähe an, damit Gäste aus den jeweiligen Regionen mit ebendiesen Geländen vertraut werden können und um Anfahrtskilometer in Grenzen zu halten (Vogesen, Schwarzwald, Sauerland, Mosel, Thüringen ...). Unsere Mittelgebirge sind übrigens wahre Flugparadiese!
  • Wir organisieren die Anreise möglichst gemeinsam im Flugschulbus, in Fahrgemeinschaften oder mit ÖV.
  • Wir verzichten auf Reiseziele, die nur mit dem Flugzeug erreichbar sind.
  • Gerne sind wir zu Gast in Unterkünften, die ihrerseits nachhaltig zu wirtschaften versuchen. Das sind in Italien z.B. Agriturismi (Verpflegung mit regionalen Produkten aus meist eigenem und oft bilologischem Anbau).
  • In unserem nächst gelegenen Trainingsgelände (Sasbachwalden) fahren wir bevorzugt mit ÖV zum Startplatz (der fährt fast im Stundentakt!). Das ist nicht nur nachhaltig, sondern auch bequem und günstig.
  • Wo möglich und vorhanden, nutzen wir lokale Infrastruktur (Bergbahnen) für die Auffahrt zum Startplatz.
  • Noch lieber laufen wir auf den Berg - das hat schon viele angesteckt, dasselbe auch zuhause zu praktizieren.
  • Wir legen Wert auf nachhaltige (langlebige), sozial und ökologisch fair produzierte Produkte, z.B. der Marken NEO und SupAir. Nachvollziehbare Produktionsstätten- und Bedingungen sowie hohe Qualität sind uns wichtig. NEO z.B. produziert ausschließlich in Frankreich und bezahlt sehr faire Löhne. Die Qualität ist überragend und der Support ebenfalls.
  • Ausgemustertes Material geben wir zum Upcycling, z.B. bei paracyclage.com und sammeln alte Rettungsgeräte für den Abwurf von Hilfsgütern.
  • Schliesslich ist uns auch ein nachhaltiger Weg des Geldes eine Überlegung wert und deshalb ist unsere Hausbank die GLS Gemeinschaftsbank.

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Zweiffellos gibt es noch viel zu tun und Hindernisse dafür genug:

  • in der Schweiz funktioniert ÖV hervorragend, woanders oft sehr mangelhaft.
  • Vielen Herstellern ist nur mit großer Mühe oder überhaupt nicht zu entlocken, wie sie produzieren. Hier könnte vielleicht der Verband (DHV) mal Bewegung in Gang setzen.
  • Auch unsere Kleidung ist eine nachhaltige Betrachtung wert. Glücklicherweise ist die Outdoor-Bekleidungs-Branche hier auf einem sehr guten Weg.
  • Schließlich sind auch unsere lokalen Vereine gefragt: wie können wir einerseits dem Gästeansturm (der manchmal nur theoretisch existiert) gerecht werden und andererseits Verantwortung übernehmen, indem wir Flughungrige nicht ins Ausland oder die alpine Ferne verweisen. Das gilt vor allem für die einfachen und sicheren Fluggebiete, wo Einsteiger in akzeptabler Entfernung zum Wohnort Erfahrungen und Praxis sammeln können (ohne Auflagen wie B-Schein, Gästegebühren oder Pflicht-Mitgliedschaft).

Immerhin, insgesamt ist viel in Bewegung und geht in eine gute Richtung. Was uns als Flugschule betrifft, bleibt Nachhaltigkeit ständige Herausforderung immer ein Kompromiss. Wir sind dabei, ihn immer mehr in Richtung ökologischer und sozialer Verantwortung zu verschieben. Und wir freuen uns, dass es unsere Gäste wahrnehmen und unterstützen.

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